Ich weise nochmals darauf hin, daß alles Leben in der Schöpfung aus zwei Gattungen besteht. Dem Sichbewußten und dem Unbewußten. Bewußtes ist der Fortschritt alles Unbewußten. Erst mit dem Bewußtwerden formt sich auch das Ebenbild des Schöpfers, das wir unter Menschenform verstehen. Die Formung geht gleichmäßig Hand in Hand mit dem Bewußtwerden.
In der ersten eigentlichen Schöpfung nun, die als dem schaffenden Geiste am nächsten stehend auch nur geistig sein kann, ist neben dem zuerst geschaffenen bewußten Geistesmenschen auch das noch unbewußte Geistige vorhanden. In diesem Unbewußten, mit den gleichen Eigenschaften des Bewußten, liegt naturgemäß der Drang zur Fortentwickelung. Diese kann aber nur in Steigerung zum Sichbewußtwerden erfolgen.
Wenn sich nun in diesem Geistig-Unbewußten der Drang zu dem Bewußtwerden bis zu einem gewissen Grade gesteigert hat, so tritt in natürlichster Entwickelung ein Vorgang ein, der einer irdischen Geburt gleichkommt. Wir brauchen nur auf unsere Umgebung zu achten. Hier stößt der grobstoffliche Körper jede reifgewordene Frucht selbsttätig aus. Bei Tier und Mensch. Auch jeder Baum stößt seine Früchte ab. Es ist der Vorgang Wiederholung einer Fortentwickelung, deren Grundzug in der ersten Schöpfung liegt, im sogenannten Paradiese.
In gleicher Art erfolgt auch dort bei einer bestimmten Reife des zum Bewußtwerden drängenden Unbewußten selbsttätige Abstoßung, Abtrennung von dem Unbewußten oder auch Ausstoßung genannt. Diese damit ausgestoßenen geistig-unbewußten Teilchen bilden nun die Geistkeime werdender Menschen!
Das ist der Vorgang, der auch in der Bibel bildlich wiedergegebenen Ausstoßung aus dem Paradiese!
Dieser Vorgang muß erfolgen, da in dem Unbewußten Verantwortungslosigkeit liegt, während mit dem Bewußtwerden gleichmäßig die Verantwortung heranreift.
Die Abtrennung des reifenden Unbewußten ist also notwendig für das Geistige, das sich aus natürlichem Drange heraus zu dem Bewußten entwickeln will. Sie ist ein Fortschritt, kein Rückschritt!
Da diese lebendigen Keime nun nicht nach oben hin ausgestoßen werden können, der Vollkommenheit zu, so bleibt ihnen der einzige Weg nach unten. Hier treten sie aber in das Reich des an Gewicht schwereren Wesenhaften, das nichts Geistiges enthält.
Dadurch steht der nach Bewußtwerden drängende Geistkeim plötzlich in einer ihm nicht gleichartigen, also fremden Umgebung, und damit so gut wie unbedeckt. Er fühlt sich als geistig seiend in dem dichteren Wesenhaften nackt und bloß. Will er darin verweilen oder weiterkommen, so wird es für ihn zur natürlichen Notwendigkeit, sich mit einer Wesenshülle zu bedecken, die die gleiche Art seiner Umgebung trägt. Sonst vermag er sich nicht darin zu betätigen und auch nicht zu erhalten. Er hat also nicht nur das Bedürfnis, auf dem Wege zur Erkenntnis seine Blößen zu bedecken, wie es die Bibel bildlich wiedergibt, sondern es ist auch hier ein notwendiger Werdegang.
Der Keim des werdenden Menschengeistes wird nun auf natürlichen Wegen weitergeleitet in die Stofflichkeit.
Hier schließt sich um ihn nochmals eine notwendige Hülle, von der Beschaffenheit seiner neuen, stofflichen Umgebung.
Nun steht er am äußersten Rande der Feinstofflichkeit.
Die Erde aber ist der grobstoffliche Punkt, auf dem alles zusammentrifft, was in der Schöpfung ruht. Aus allen Abteilungen strömt es hier zusammen, die sonst durch ihre Eigenart strengstens geschieden sind. Die ganzen Fäden, alle Wege laufen zu der Erde wie zu einem einheitlichen Treffpunkte. Sich hier verbindend und auch neue Wirkungen erzeugend, werden in starkem Aufflammen Kraftströmungen hinausgeschleudert in das All! So, wie von keiner andern Stelle aus der Stofflichkeit.
Auf dieser Erde ist das heißeste Erleben durch das Zusammenschließen aller Schöpfungsarten, wozu die Stofflichkeit verhilft. Doch immer wieder kann nur durch das Zusammenschließen aller Schöpfungsarten es sein, nicht Göttliches, und nichts von dem Heiligen Geiste, das über und außerhalb der Schöpfung steht. —
Die letzten Ausläufer dieses Erlebens auf der Erde fluten nun dem Geisteskeime entgegen, sobald er in die Feinstofflichkeit tritt. Er wird von diesen Wirkungen umspült. Sie sind es, die ihn locken, ihm aber dabei helfend sein Bewußtwerden erwecken und zur Entwicklung bringen.
Noch ohne Bindung, also ohne Schuld, an dieser Schwelle aller Stofflichkeit, empfindet er die Ausläufer der Schwingungen starker Erlebnisse, die in dem Werden und Vergehen alles Stofflichen sich abspielen. Dabei kommt ihm nun das Verlangen näheren Erkennens. Sobald er aber darin einen Wunsch formt, stellt er sich mit der Formung dieses Wunsches freiwillig auf irgendeine Schwingung ein, sei diese nun gut oder übel. Sofort wird er dann durch das wirkende Gesetz der Anziehungskraft gleicher Art von einer Gleichart angezogen, die stärker als die seine ist. Es treibt ihn einem Punkte zu, wo der erwünschten Art in stärkerer Weise gehuldigt wird, als sein eigener Wunsch es war.
Mit solchem innerem Verlangen verdichtet sich seine feinstoffliche Hülle sofort diesem Verlangen entsprechend, und das Gesetz der Schwere läßt ihn weiter abwärts sinken.
Das wirkliche Erleben des in ihm ruhenden Verlangens aber bietet ihm zuletzt nur die grobstoffliche Erde! — —
Es drängt ihn deshalb weiter bis zur irdischen Geburt, weil er vom Naschen auch zum Kosten und Genießen übergehen will. Je stärker des im Naschen erwachenden Geistes Wünsche nach irdischen Genüssen werden, desto dichter bildet sich auch die feinstoffliche Hülle, die er trägt. Dadurch erhält sie aber auch mehr Schwere, und sinkt langsam herab zu dem Erdenplane, wo allein die Gelegenheit zu der Verwirklichung der Wünsche ist. Ist er aber bis zu diesem Erdenplan gekommen, so wurde er auch damit reif zu irdischer Geburt.
Dabei tritt das Gesetz der Anziehungskraft gleicher Art auch deutlicher hervor. Jeder der unfertigen Geister wird genau nach seinem Wunsche oder Hange, den er in sich trägt, von einer Stelle wie magnetisch angezogen, wo der Inhalt seines Wunsches von Erdenmenschen zur Verwirklichung gelangt. Hat er z. B. einen Wunsch, zu herrschen, so wird er nicht etwa in die Verhältnisse hineingeboren, wo er nun selbst einer Erfüllung seines Wunsches leben kann, sondern er wird von einem Menschen angezogen, der starke Herrschsucht in sich trägt, der also mit ihm gleichartig empfindet, und so fort. Er sühnt damit zum Teil auch schon das Falsche oder findet Glück im Rechten. Wenigstens hat er Gelegenheit dazu.
Aus diesem Vorgange heraus wird nun irrtümlich Vererbung von Eigenschaften oder geistigen Fähigkeiten angenommen! Das ist falsch! Äußerlich mag es ja so erscheinen. In Wirklichkeit aber kann ein Mensch seinen Kindern nichts von seinem lebendigen Geiste abgeben.
Es gibt keine geistige Vererbung!
Kein Mensch ist in der Lage, von seinem lebendigen Geiste auch nur ein Stäubchen abzugeben!
In diesem Punkte wurde ein Irrtum großgezogen, der seine hemmenden und verwirrenden Schatten über vieles wirft. Kein Kind kann seinen Eltern für irgendeine geistige Fähigkeit danken, ebensowenig aber für Mängel einen Vorwurf machen! Das wäre falsch und eine strafwürdige Ungerechtigkeit!
So lückenhaft und unvollkommen ist dieses wunderbare Schöpfungswerk niemals, daß es Willkürs- oder Zufallsakte geistiger Vererbung zuließe!
Diese bei Geburt bedeutungsvolle Anziehungskraft aller Gleichart kann von dem Vater ausgehen, wie von der Mutter, ebenso wie von einem Jeden, der in der Nähe der werdenden Mutter ist. Deshalb sollte eine werdende Mutter darin Vorsicht walten lassen, wen sie um sich duldet. Es muß dabei bedacht werden, daß innere Stärke vorwiegend in den Schwächen liegt, nicht etwa in dem äußeren Charakter. Die Schwächen bringen wichtige Zeitabschnitte inneren Erlebens, die starke Anziehungskraft auswirken.
Das irdische Kommen des Menschen setzt sich nun zusammen aus Zeugung, Inkarnierung und Geburt. Die Inkarnierung, also Eintritt der Seele, erfolgt in der Mitte der Schwangerschaft. Der gegenseitig wachsende Reifezustand, der der werdenden Mutter wie der der Inkarnierung zuneigenden Seele, führt auch noch eine besondere irdischere Bindung herbei. Es ist dies eine Ausstrahlung, die durch den gegenseitigen Reifezustand hervorgerufen wird, und unaufhaltsam in natürlicher Auslösung einander entgegenstrebt. Diese Ausstrahlung wird immer stärker, kettet Seele und werdende Mutter in verlangender Art immer fester aneinander, bis zuletzt bei bestimmter Reife des sichentwickelnden Körpers im Mutterleibe die Seele von diesem förmlich aufgesogen wird.
Dieser Augenblick des Eintretens oder des Eingesogenwerdens bringt nun naturgemäß auch die erste Erschütterung des kleinen Körpers mit sich, die sich in Zuckungen zeigt, welche die ersten Kindesbewegungen benannt sind. Dabei tritt in der werdenden Mutter sehr oft eine Umwandlung ihrer Empfindungen ein. Je nach der Art der eingetretenen Menschenseele beglückend oder auch bedrückend. —
Mit dem kleinen Körper nimmt nun die so weit entwikkelte Menschenseele den Mantel der Grobstofflichkeit um, der notwendig ist, um in der irdischen Grobstofflichkeit alles ganz erleben, hören, sehen und fühlen zu können, was nur durch eine gleichstoffliche, gleichartige Hülle oder durch ein Werkzeug möglich wird. Nun erst kann er vor dem Naschen zu dem eigentlichen Kosten übergehen und mit diesem zum Beurteilen. Daß die Seele erst lernen muß, sich dieses neuen Körpers als Werkzeug zu bedienen, ihn zu beherrschen, ist verständlich.
So, kurz gefaßt, der Werdegang des Menschen bis zu seiner ersten irdischen Geburt.
Denn schon seit langer Zeit kann in natürlichem Geschehen keine Seele mehr zur ersten Inkarnierung auf die Erde kommen, sondern die Geburten brachten Seelen, die mindestens ein Erdenleben schon durchwandert hatten. Dadurch sind sie schon bei Geburt von vielseitigem Karma eng umstrickt. Die Möglichkeit, sich davon zu befreien, gibt die Sexualkraft.
Durch die Umhüllung des grobstofflichen Körpers ist die Seele eines Menschen während aller Kinderjahre getrennt von den Strömungen, welche von außen her die Seele zu erreichen suchen. Alles Dunkle, Üble, was den Erdenplan belebt, findet seinen Weg zur Seele durch den grobstofflichen Erdenkörper abgeschnitten. Es kann dadurch auch keinen Einfluß auf das Kind gewinnen, kann ihm nicht Schaden bringen. Das Böse aber, das eine nochmals inkarnierte Seele von dem früheren Erleben mit sich brachte, bleibt ihr natürlich ebenso erhalten in der Kinderzeit.
Der Körper bildet diese Scheidewand, solange er noch unfertig und unreif ist. Es scheint, als ob die Seele sich in eine Burg zurückgezogen hätte, bei der die Zugbrücke emporgezogen ist. Eine unüberbrückbare Kluft besteht während dieser Jahre zwischen der Kinderseele und der feinstofflichen Schöpfung, in der die feinstofflichen Schwingungen von Schuld und Sühne leben. So liegt die Seele geborgen in der irdischen Hülle, der Verantwortung entgegenreifend und dem Augenblicke harrend, der das Herablassen der hochgezogenen Zugbrücke zu dem eigentlichen Leben in der Stofflichkeit bringt.
Der Schöpfer senkte durch natürliche Gesetze in jede Kreatur Nachahmungstrieb an Stelle eines freien Willens dort, wo noch kein freier Wille sich betätigt. Man nennt es allgemein „Empfänglichkeit der Jugend“. Der Trieb der Nachahmung soll die Entwickelung fürs Erdenleben vorbereiten, bis er bei Tieren durch Erfahrungen bereichert und gestützt, bei Menschen aber durch den Geist im freien Willen hochgehoben wird zu selbstbewußtem Tun!
Im Kindeskörper nun fehlt dem darein inkarnierten Geiste eine Strahlungsbrücke, die erst zur Zeit der körperlichen Reife sich mit der Sexualkraft bilden kann. Dem Geiste fehlt diese Brücke zur vollwirkenden und wirklich handelnden Tätigkeit in der Schöpfung, die nur durch die lückenlose Strahlungsmöglichkeit durch alle Arten der Schöpfung bewirkt werden kann. Denn nur in Strahlungen liegt das Leben und nur aus ihnen und durch sie kommt Bewegung.
Während dieser Zeit trägt das Kind, das nur voll auf seine Umwelt aus seinem wesenhaften Teile heraus lückenlos wirken kann, nicht aber aus dem geistigen Kerne, den Schöpfungsgesetzen gegenüber etwas mehr Verantwortung als ein höchst entwickeltes Tier.
Unterdessen reift der junge Körper heran und nach und nach erwacht in ihm die Sexualkraft, die nur in der Grobstofflichkeit liegt. Sie ist die feinste und edelste Blüte aller Grobstofflichkeit, das Höchste, was die grobstoffliche Schöpfung bieten kann. In ihrer Feinheit bildet sie den Gipfel alles Grobstofflichen, also Irdischen, das dem Wesenhaften als äußerster lebendiger Ausläufer der Stofflichkeit am nächsten kommt. Die Sexualkraft ist das pulsierende Leben der Stofflichkeit und kann allein die Brücke bilden zu dem Wesenhaften, das wiederum den Fortgang zu dem Geistigen vermittelt.
Aus diesem Grunde ist das Erwachen der Sexualkraft in dem grobstofflichen Körper wie der Vorgang des Herablassens der Zugbrücke einer bisher verschlossenen Burg. Damit kann dann der Bewohner dieser Burg, also die Menschenseele, vollgerüstet streitbar hinaus, in gleichem Maße jedoch auch die diese Burg umlagernden Freunde oder Feinde zu ihm hinein. Diese Freunde oder Feinde sind in erster Linie feinstoffliche Strömungen guter oder übler Art, aber auch Jenseitige, die nur darauf warten, daß man ihnen durch irgend einen Wunsch die Hand reicht, wodurch sie in die Lage kommen, sich fest einzuhaken und gleichartigen Einfluß auszuüben.
Die Gesetze des Schöpfers lassen aber in natürlichster Steigerung immer nur die gleiche Stärke von außen herein, die von innen entgegengesetzt werden kann, so daß ein ungleicher Kampf vollkommen ausgeschlossen ist. – Solange nicht dabei gesündigt wird. Denn jeder durch künstliche Reizung hervorgerufene unnatürliche Geschlechtstrieb öffnet diese feste Burg vorzeitig, wodurch die noch nicht gleichmäßig erstarkte Seele preisgegeben wird. Sie muß den anstürmenden üblen feinstofflichen Strömungen erliegen, denen sie sonst unbedingt gewachsen wäre.
Bei normalem Heranreifen kann aus natürlichem Geschehen heraus immer nur auf beiden Seiten gleiche Stärke sein. Den Ausschlag aber gibt dabei der Wille des Burgbewohners, nicht der der Belagerer. So wird er mit gutem Wollen immer in der Feinstofflichkeit siegen. Das heißt, in den Vorgängen der jenseitigen Welt, welche der Durchschnittsmensch nicht sehen kann, solange er auf Erden weilt, und die doch eng und viel lebendiger mit ihm verbunden ist, als seine grobstoffliche, ihm sichtbare Umgebung.
Wenn der Burgbewohner aber freiwillig einem außenbefindlichen feinstofflichen Freunde oder Feinde, auch Strömungen, die Hand reicht, also durch eigenen Wunsch oder freien Entschluß, so ist es natürlich ganz anders. Da er sich dadurch in eine bestimmte Art der außerhalb wartenden Belagerer einstellt, so können diese leicht die zehn- und hundertfache Kraft entfalten gegen ihn. Ist diese gut, erhält er Hilfe, Segen. Ist sie aber böse, erntet er Verderben. In dieser freien Wahl liegt die Betätigung des eigenen freien Willens. Hat er sich dazu einmal entschlossen, dann ist er unbedingt den Folgen unterworfen. Für diese Folgen schaltet dann sein freier Wille aus. Es knüpft sich nach der eigenen Wahl gutes oder übles Karma an ihn, dem er selbstverständlich unterworfen ist, solange er sich innerlich nicht ändert. —
Die Sexualkraft hat die Aufgabe und auch die Fähigkeit, das ganze geistige Empfinden einer Seele irdisch zu „durchglühen“. Der Geist kann dadurch erst rechte Verbindung mit der gesamten Stofflichkeit erhalten, wird deshalb auch erst irdisch vollwertig. Nur dann vermag er alles zu umfassen, was nötig ist, um sich in dieser Stofflichkeit die volle Geltung zu verschaffen, um darin festzustehen, durchdringend einzuwirken, Schutz zu haben und in voller Ausrüstung sieghafte Abwehr auszuüben.
Es liegt etwas Gewaltiges in der Verbindung. Das ist der Hauptzweck dieses rätselhaften, unermeßlichen Naturtriebes! Er soll das Geistige in dieser Stofflichkeit zu voller Wirkungskraft entfalten helfen! Ohne diese Sexualkraft wäre es unmöglich, aus Mangel eines Überganges zur Belebung und Beherrschung aller Stofflichkeit. Der Geist müßte der Stofflichkeit zu fremd bleiben, um sich darin richtig auswirken zu können.
Damit erhält aber der Menschengeist dann auch die Vollkraft, seine Wärme und Lebendigkeit. Er wird mit diesem Vorgange erst irdisch kampfbereit.
Deshalb setzt hier nun die Verantwortlichkeit ein! Ein ernster Wendepunkt in jedes Menschen Sein.
Die weise Gerechtigkeit des Schöpfers gibt dem Menschen aber an diesem bedeutsamen Punkte auch gleichzeitig nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar den natürlichen Antrieb dazu, alles Karma, mit dem er bis dahin seinen freien Willen belastet hat, leicht und mühelos abzuschütteln!
Wenn der Mensch die Zeit versäumt, so ist es seine Schuld. Denken Sie einmal darüber nach: Mit Eintritt der Sexualkraft regt sich in erster Linie eine gewaltige Schwungkraft nach oben, zu allem Idealen, Schönen, Reinen! Bei unverdorbener Jugend beiderlei Geschlechtes ist das deutlich zu beobachten. Daher die von Erwachsenen leider oft belächelten Schwärmereien der Jugendjahre. Deshalb auch in diesen Jahren die unerklärlichen, leicht schwermütigen Empfindungen.
Die Stunden, in denen es scheint, als ob ein Jüngling oder eine Jungfrau den ganzen Weltschmerz zu tragen hätte, wo Ahnungen eines tiefen Ernstes an sie herantreten, sind nicht unbegründet. Auch das so häufig vorkommende Sich-nicht-verstanden-fühlen trägt in Wirklichkeit viel Wahres in sich. Es ist das zeitweise Erkennen der falschen Gestaltung der Umwelt, die den geheiligten Ansatz zu einem reinen Höhenfluge nicht verstehen will, noch kann, und erst zufrieden ist, wenn diese so stark mahnende Empfindung in den reifenden Seelen herabgezerrt wird in das ihnen verständlichere „Realere“ und Nüchterne, das sie als der Menschheit besser angepaßt erachten, und in ihrem einseitigen Verstandessinne für das einzige Gesunde halten!
Der geheimnisvoll ausstrahlende Reiz einer unverdorbenen Jungfrau oder eines unverdorbenen Jünglings ist nichts anderes, als der von seiner Umgebung mitempfundene reine Auftrieb der erwachenden Sexualkraft nach höherem, edelsten, in Vermählung mit der Geisteskraft!
Sorgsam hat der Schöpfer darauf Bedacht gelegt, daß dies bei dem Menschen erst in ein Alter fällt, wo er sich seines Wollens und Handelns voll bewußt sein kann. Dann ist der Zeitpunkt da, an dem er alles Zurückliegende in Verbindung mit der nun in ihm liegenden Vollkraft spielend abzuschütteln vermag und abschütteln sollte. Es würde sogar von selbst abfallen, wenn der Mensch das Wollen zu dem Guten beibehält, wozu es ihn in dieser Zeit unaufhörlich drängt. Dann könnte er, wie die Empfindungen ganz richtig andeuten, mühelos emporsteigen zu der Stufe, auf die er als Mensch gehört! Sehet das Verträumtsein der unverdorbenen Jugend! Es ist nichts anderes, als das Empfinden des Auftriebes, des Sichlosreißenwollens von allem Schmutz, die heiße Sehnsucht nach Idealem. Die treibende Unruhe aber ist das Zeichen, die Zeit nicht zu versäumen, sondern energisch das Karma abzuschütteln und mit dem Emporsteigen des Geistes einzusetzen.
Es ist etwas Herrliches, in dieser geschlossenen Kraft zu stehen, darin und damit zu wirken! Jedoch nur, solange die Richtung eine gute ist, die der Mensch erwählt. Es gibt aber auch nichts erbärmlicheres, als diese Kräfte einseitig in blindem Sinnestaumel zu vergeuden, und seinen Geist damit zu lähmen.
Aber leider, leider versäumt der Mensch in den meisten Fällen diese so kostbare Übergangszeit, läßt sich von „wissender“ Umgebung auf falsche Wege lenken, die ihn niederhalten und dann abwärts führen. Dadurch vermag er die ihm anhängenden trübenden Schwingungen nicht abzuwerfen, diese erhalten im Gegenteil nur neue Kräftezufuhr ihrer gleichen Art, und damit wird des Menschen freier Wille mehr und mehr eingesponnen, bis er ihn vor lauter unnötigen Überwucherungen nicht mehr zu erkennen vermag. Wie bei Schlinggewächsen, denen ein gesunder Stamm im Anfang stützend Hilfe bietet, und die dem Stamme zuletzt dessen eigenes Leben abschneiden, indem sie ihn erdrosselnd überwuchern.
Wenn der Mensch besser achtete auf sich und das Geschehen in der ganzen Schöpfung, kein Karma könnte stärker sein, als sein in Vollkraft kommender Geist, sobald er durch die Sexualkraft lückenlose Verbindung mit der Stofflichkeit erhält, zu der das Karma ja gehört.
Auch wenn der Mensch die Zeit versäumt, wenn er sich mehr verstrickt, vielleicht sogar tief sinkt, so bietet sich ihm trotzdem weiterhin Gelegenheit zum Aufstiege: Durch Liebe!
Nicht die begehrende Liebe des Grobstofflichen, sondern die hohe, die reine Liebe, die nichts anderes kennt und will, als nur das Wohl des geliebten Menschen. Sie gehört auch in die Stofflichkeit und fordert kein Entsagen, kein Büßertum, aber sie will immer nur das Beste für den anderen. Und dieses Wollen, das nie an sich selber denkt, gibt auch den besten Schutz vor jedem Übergriffe.
Als Grundlage hat Liebe auch im höchsten Menschenalter immer wieder die ideal-sehnsüchtigen Empfindungen der unverdorbenen Jugend, die diese beim Eintreten der Sexualkraft fühlt. Doch sie zeigt sich anders: Den reifen Menschen peitscht sie bis zur Vollkraft seines ganzen Könnens auf, ja bis zum Heldenmut. Hierbei ist durch das Alter keine Grenze gesetzt. Die Sexualkraft bleibt bestehen, auch wenn der niedere Geschlechtstrieb ausgeschaltet ist; denn Sexualkraft und Geschlechtstrieb ist nicht eins.
Sobald der Mensch der reinen Liebe Raum gewährt, sei es nun die des Mannes zu dem Weibe, oder umgekehrt, die zu dem Freunde, einer Freundin, zu den Eltern, zu dem Kinde, gleichviel, ist sie nur rein, so bringt sie auch als erste Gabe die Gelegenheit zum Abstoßen des Karmas, das sich sehr schnell „symbolisch“ lösen kann. Es „vertrocknet“, da es keinen gleichartigen Anklang, keine Nahrung mehr im Menschen findet. Damit wird dieser frei! Und so beginnt der Aufstieg, die Erlösung von den unwürdigen Ketten, die ihn niederhalten.
Die dabei zuerst erwachende Empfindung ist das sich Unwertdünken dem geliebten anderen gegenüber. Man kann den Vorgang eintretende Bescheidenheit und Demut nennen, also den Empfang zweier großen Tugenden. Daran schließt sich der Drang, schützend die Hände über den anderen zu halten, damit diesem von keiner Seite ein Leid geschähe. Das „Auf-den-Händen-tragen-wollen“ ist kein leerer Spruch, sondern kennzeichnet die aufsteigende Empfindung ganz richtig. Darin aber liegt ein Aufgeben der eigenen Persönlichkeit, ein großes Dienenwollen, das allein genügen könnte, alles Karma in kurzer Zeit abzuwerfen, sobald das Wollen anhält und nicht rein sinnlichen Trieben Platz macht. Zuletzt kommt bei der reinen Liebe noch der heiße Wunsch, recht Großes für den geliebten anderen im edlen Sinne tun zu können, ihn mit keiner Miene, keinem Gedanken, keinem Worte, noch viel weniger mit einer unschönen Handlung zu verletzen oder zu kränken. Zarteste Rücksichtnahme wird lebendig.
Dann gilt es, diese Reinheit der Empfindung festzuhalten und allem anderen voranzusetzen. Niemals wird jemand in dem Zustande noch etwas Schlechtes wollen oder tun. Er vermag es einfach nicht, sondern hat im Gegenteil in den Empfindungen den besten Schutz, die größte Kraft, den wohlmeinendsten Berater und Helfer.
Der Schöpfer gab in seiner Weisheit damit einen Rettungsring, der nicht nur einmal in dem Erdensein an jeden Menschen stößt, daß er sich daran halte und emporschwinge!
Die Hilfe ist für Alle da. Sie macht nie einen Unterschied, weder im Alter noch Geschlecht, weder bei Arm noch Reich, auch nicht bei Vornehm und Gering. Deshalb ist die Liebe auch das größte Geschenk Gottes! Wer es erfaßt, der ist der Rettung sicher, aus jeder Not und jeder Tiefe!
Liebe ist fähig, ihn mit Sturmesallgewalt emporzureißen zu dem Licht, zu Gott, der selbst die Liebe ist. —
Sobald in einem Menschen Liebe rege wird, die darnach strebt, dem anderen Licht und Freude zu bereiten, ihn nicht durch unreines Begehren herabzuzerren, sondern schützend hoch emporzuheben, so dient er ihm, ohne sich dabei des eigentlichen Dienens bewußt zu werden; denn er macht sich dadurch mehr zu einem selbstlosen Geber, zu einem freudigen Schenker. Und dieses Dienen ringt ihn frei!
Um den rechten Weg dabei zu finden, achte der Mensch immer nur auf eins. Über allen Erdenmenschen schwebt groß und stark ein Wunsch: Das wirklich vor sich selbst sein zu können, was sie vor denen gelten, von denen sie geliebt werden. Und dieses Wünschen ist der rechte Weg! Er führt unmittelbar zur Höhe.
Viele Gelegenheiten sind dem Menschen nun geboten, sich aufzuraffen und emporzuschwingen, ohne daß sie es benützen.
Der Mensch von heute ist nur wie ein Mann, welchem ein Reich gegeben ist, und der es vorzieht, seine Zeit mit Kinderspielzeug zu vergeuden.
Es ist nur selbstverständlich, und nicht anders zu erwarten, daß die gewaltigen Kräfte, die dem Menschen gegeben sind, ihn zerschmettern müssen, wenn er sie nicht zu lenken versteht.
Auch die Sexualkraft muß den Einzelmenschen, ganze Völker dort vernichten, wo ihre Hauptaufgabe mißbraucht wird! Der Zeugungszweck kommt erst in zweiter Linie.
Und welche Hilfsmittel gibt die Sexualkraft jedem Menschen, daß er die Hauptaufgabe auch erkenne und sie lebe!
Man denke an die körperliche Schamempfindung! Diese erwacht gleichzeitig mit der Sexualkraft, ist zum Schutze gegeben.
Es ist auch hier wie in der ganzen Schöpfung ein Dreiklang, und im Niedersteigen auch ein immer Gröberwerden zu erkennen. Die Schamempfindung als die erste Folge der Sexualkraft soll als Übergang zu dem Geschlechtstriebe die Hemmung bilden, damit der Mensch auf seiner Höhe sich nicht tierisch der Geschlechtsausübung hingibt.
Wehe dem Volke, das dies nicht beachtet!
Starke Schamempfindung sorgt dafür, daß der Mensch niemals einem Sinnestaumel unterliegen kann! Sie schützt vor Leidenschaft; denn sie wird in ganz natürlichem Geschehen nie Gelegenheiten zulassen, sich nur den Bruchteil eines Augenblickes zu vergessen.
Gewaltsam nur vermag der Mensch durch seinen Willen diese herrliche Gabe zur Seite zu drängen, um sich dann tierisch zu ergehen! Solch gewaltsamer Eingriff in des Schöpfers Weltordnung muß ihm aber zum Fluche werden; denn die damit ungebunden werdende Kraft des körperlichen Geschlechtstriebes ist in ihrer Entfesselung für ihn nicht mehr natürlich.
Fehlt Schamempfindung, wird der Mensch vom Herrn zum Knecht gemacht, von seiner Menschenstufe weggerissen und noch unters Tier gesetzt.
Der Mensch bedenke, starke Scham allein verhindert die Gelegenheit zum Sturze. Ihm ist damit die stärkste Wehr gegeben.
Je größer die Scham ist, desto edler ist der Trieb, und desto höher steht geistig der Mensch. Es ist dies der beste Maßstab seines inneren geistigen Wertes! Dieser Maßstab ist untrüglich und jedem Menschen leicht erkennbar. Mit Erdrosselung oder Wegräumung des äußeren Schamgefühles werden auch gleichzeitig stets die feineren und wertvollsten seelischen Eigenschaften erstickt und damit der innere Mensch wertlos gemacht.
Ein untrügliches Zeichen tiefen Sturzes und sicheren Verfalles ist es, wenn die Menschheit beginnt, unter der Lüge des Fortschrittes sich über das in jeder Beziehung fördernde Kleinod des Schamgefühles „erheben“ zu wollen! Sei es nun unter dem Deckmantel des Sportes, der Gesundheitspflege, der Mode, der Kindererziehung, oder unter vielen anderen dazu willkommenen Vorwänden. Der Niedergang und Sturz ist dann nicht aufzuhalten, und nur ein Schrecken größter Art kann einzelne noch zur Besinnung bringen.
Und doch ist es dem Erdenmenschen leicht gemacht, den Weg zur Höhe einzuschlagen.
Er braucht nur „natürlicher“ zu werden. Natürlich sein heißt aber nicht, halbnackt herumzulaufen oder in außergewöhnlichen Kleidungen barfuß einherzuwandeln! Natürlich sein heißt sorgsam achten auf die inneren Empfindungen und sich den Mahnungen derselben nicht gewaltsam entziehen! Nur um nicht unmodern zu gelten.
Mehr als die Hälfte aller Menschen aber sind heute leider schon so weit, daß sie zu stumpf geworden sind, um die natürlichen Empfindungen noch zu verstehen. Sie haben sich dazu schon viel zu sehr beengt. Ein Schrei des Grauens und Entsetzens wird das Ende davon sein!
Wohl dem, der dann das Schamgefühl wieder lebendig machen kann! Es wird ihm Schild und Stütze sein, wenn alles andere in Trümmer geht.